Gsenggraben | © Bergfreunde München

Zur Sause ins Gesäuse

Juni 2022, Wolfgang Müller

21.06.2022

Elf Bergfreunde starten am Sonntag um 7.30h nach Admont, Sitz des bekannten Benediktinerstifts (geg. 1704) mit der weltgrößten Klosterbibliothek.
Dort treffen wir Ex-Vorstand Ernst, der eine Führung organisiert hat. Der Bibliothekssaal mit 70.000 Folianten bis zurück ins 8. Jhdt. beeindruckt mit barockem Glanz, Helligkeit und Symmetrie und demonstriert frühere Macht und Reichtum der Abtei.Durch die wildromantische Schlucht der Enns fahren wir dann in den Nationalpark Gesäuse, zum Bergsteigerdorf Johnsbach., wo wir dem größten Bergsteigerfriedhof Österreichs noch einen ehrenden Besuch abstatten. Beinahe 300 verunfallte, zumeist junge Kletterer aus der Anfangszeit des Alpinismus liegen hier begraben. Dann erreichen wir - fast am Talende - unser Basislager, den gemütlichen Gasthof Kölblwirt. Dort lassen wir den Abend bei herrlichem Wetter auf der Terrasse ausklingen.
Der Montag beginnt mit strahlendem Sonnenschein. TL Franz hat gerade seinen Tourenleiter-Lehrgang mit Bravour absolviert und sich mit den Touren, den Hütten und dem Wetter intensiv beschäftigt. Für die ganze Woche droht Gewittergefahr. Wir wollen heute über die Gsengscharte 1 219 m zur Haindlkarhütte 1 121 m. Die ersten, flachen 1,5 km gehen wir auf dem Themenweg „Wilder John“ – Synonym für den Johnsbach. Und da der wilde John ein Riese war gibt es eine Riesenschaukel, eine Riesensandkiste und einen Riesenpicknick-Platz, für Kinder ein Erlebnis.
Beim Abzweig in den Gsenggraben ändert sich das Gelände. Wir steigen jetzt 700 Hm über Schotter und Fels steil bergauf. Es ist schwülheiß, bewölkt sich zusehends und wir schnaufen mächtig. Zumal der Weg einige Schikanen bereithält. So müssen wir an einer Passage die Rucksäcke abnehmen und bäuchlings vor uns herschieben, um durch einen Felsspalt zu gelangen. Gut, dass es trocken ist. Aber uns umgibt ein grandioses Bergpanorama darüber ein immer bedrohlicherer Himmel.
Dann folgt die Schlüsselstelle „Gsengscharte“. Der Fels ist von Wind und Wetter abgewaschen und die letzten Meter ziehen wir uns an einer Kette und einem Drahtseil nach oben. Franz blickt sorgenvoll zum Himmel. Der höchste Punkt ist erreicht, jetzt geht’s hinab ins Haindlkar.
Wir haben freien Blick auf die Hochtor-Nordwände und unten leuchtet schon die Haindlkarhütte. Die Hüttenwirtin begrüßt freudig die einzigen Gäste. Kaum haben wir bestellt, sagt jemand „och, es regnet“. Wir stehen in der offenen Tür und schauen ungläubig auf das sich nun bietende Naturschauspiel. Innerhalb von Minuten ist die Hochtorwand verschwunden. Regen prasselt herunter und wird plötzlich weiß. Es hagelt, blitzt und donnert wie wir es noch nicht gesehen haben. Und wir sind froh, in Sicherheit zu sein. Nicht auszudenken, wenn uns das auf dem Weg erwischt hätte. In kürzester Zeit ist es ringsum weiß. Und dann meint der Hüttenwirt ganz trocken „wenn das so bleibt, könnt ihr den Abstieg vergessen. Der geht durchs Bachbett.“
Das hat noch keiner erlebt. Auf den Schreck stärken wir uns erstmal. Doch der Hagel hört langsam auf und bald blitzt wieder blauer Himmel durch. Wir können doch absteigen. Auf steinigem Pfad, durch Hagelreste und das Bachbett querend hinunter zur Enns und wieder zurück zum Parkplatz.
Beim Kölblwirt hat man vom Unwetter nichts mitbekommen. So wird es ein gesprächsreicher, weinseliger Abend im Sonnenuntergang auf der Terrasse.
Am Dienstag hat Franz den Aufstieg zur Heßhütte 1 686 m vor, ca. 800 Hm. Die Felsgipfel im „Xeis“ sind meist echte Klettergipfel, also nicht so sehr für uns geeignet. Doch der Weg über Untere und Obere Koderalm ist ein landschaftlich schöner, langer Steig durch Wald und über Almen. Immer mit Blick auf schroffe Felswände und in ein Sonne- und Wolkenspiel. An der Stackalm plötzlich ein widerlicher Geruch. Abseits vom Weg liegt ein verendeter Gamsbock. Er trägt noch seine Krickeln und verwest vor sich hin. Wir gehen schnell weiter aber der Geruch bleibt lange in der Nase.
Auf der Terrasse der Heßhütte sitzen nur wenige Gäste. Wir stärken uns und halten ein Schwätzchen mit dem Hüttenwirt, der erzählt, dass auch er immer zu Fuß auf seine Hütte laufen muss. Wir genießen die Panoramaaussicht. Auf Hochtor oder Hochzinödl. Dort hinauf wäre es nur eine gute Stunde. Aber alle winken dankend ab.
Auf dem gleichen Weg geht es zurück ins Tal. Jetzt zieht es sich endlos und wir sind froh, als der Kölblwirt wieder in Sicht kommt. Zum Abendessen lädt wieder die Terrasse ein. Das Blunzengröstl, das steirische Backhendl und den Veltliner zum Runterspülen haben wir uns verdient.
Mittwoch, welche Hütte erobern wir heute? Es könnte ab Mittag regnen, deshalb wollen wir zur Mödlinger Hütte. Sie liegt nur auf 1 523 m und ist gut erreichbar. Und wenn es doch gutgeht können wir noch weiter zum Treffner See und evtl. höher zum sogen. Heldenkreuz auf 1 630 m.
Das Wetter hält sich. Nur der Aufstieg mit viel Fahrweg ist langweilig. Während ein Teil der Truppe nur noch bis zur Hütte bzw.  zum See geht, nimmt der andere Teil noch das Heldenkreuz in Angriff, eigentlich der schönste Teil der Tour. Von oben hat man einen traumhaften Blick ins Johnsbachtal auf Kreuzkogel, Kalbling, Reichenstein, Buchstein, Ödstein – ein tolles Panorama. Viele dieser Gipfel sind jedoch anspruchsvoll zu klettern und nichts für uns.
Nach einer Jause auf der Hütte steigen wir auf gleichem Weg wieder ab. Es bleibt trocken bis ins Tal aber ein Terrassenabend wird es heute nicht. Gegen 18.00 h beginnt es heftig zu regnen. Glück gehabt. Aber drinnen beim Kölbl ist es auch gemütlich.
Donnerstag ist unser letzter Tourentag. Die Berge sind verhangen aber vielleicht klart es auf. Bisher hat es geklappt. Wir nehmen die Tour zur Oberst Klinke Hütte 1486 m. In Kaiserau wird geparkt. Von dort steigen wir über noch nasse Wiesen und dann auf dem Gebirgsjägersteig steil aber durch wunderschönen Bergwald bis zur weitläufigen Wagenbänkalm auf 1 565 m. Weiter geht es zum Lahngangkogel (1 778 m), dem höchsten Punkt aller Touren bisher. Hier oben machen wir Rast und sind beeindruckt.
Die ganze Vegetation ist unglaublich grün. Alles mit Heidelbeeren bewachsen. Ein starker Kontrast zu dem immer wieder durchscheinenden blauen Himmel. Durch das Kalblingsgatterl auf 1 542 m erreichen wir die Hütte.
Nach einer Stärkung im Angesicht des Kalbling (2 196 m) gehen wir auf dem Standardweg wieder zum Parkplatz.
Eigentlich hätten wir den Kalbling heute gehen wollen. Wenigstens ein 2000er-Gipfel wäre schon schön gewesen. Aber wegen der Nässe haben wir darauf verzichtet. Es war auch so eine schöne, aussichts- und erlebnisreiche Tour.
Und am Abend wartet tatsächlich wieder die Terrasse auf uns.

Freitag sehen wir uns noch kurz die reißenden Wasser bei den Katarakten der Enns an. Dann geht’s nach Hause und wir reflektieren auf der Rückfahrt unsere Erlebnisse.

Eine grandiose Gebirgslandschaft, viel Wetterglück, eine bequeme Unterkunft mit gutem Essen und Trinken und freundlichen Wirtsleuten, eine friedfertige und konditionsstarke Wandertruppe und ein umsichtiger, fürsorglicher Tourenleiter, der alles im Griff hatte bleiben in allerbester Erinnerung. ▲wm