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Wanderwoche in den Karnischen Alpen

6.-11. Juli 2025

27.07.2025

Auf der Südseite des Karnischen Hauptkamms 

Hochweißstein und Hohe Warte

Als mir Johanna, langjährige Freundin und Bergpartnerin auf vielen – vor allem Mehrtages- - Touren das Jahresprogramm 2025 ihrer Sektion zeigte, stieß ich alsbald auf die angebotene Bergtourenwoche in den Karnischen Alpen.

Sofort wurden Erinnerungen wach an den Karnischen Höhenweg, den ich vor mehreren Jahren bis Törl-Maglern begangen habe. Als eine der eindrucksvollsten Etappen hatte ich den Abschnitt zwischen dem Hochweißsteinhaus und der Wolayersee-Hütte in Erinnerung, ebenso wie das damalige Bedauern, keine Zeit für die umliegenden Berge aufwenden zu können.

Dieser weiße Fleck kann durch diese Tour geschlossen werden. Meine Anmeldung wurde berücksichtigt, meine Vorfreude war groß. Auch der Wetterbericht war bis eine Woche vor Abreise hervorragend, wurde dann aber kontinuierlich schlechter.

Das kann ja heiter werden: Werden alle Ziele erreichbar sein oder stehen quälend lange Hüttentage bei Dauerregen und Kälte bevor? Meine Laune verschlechterte sich in gleicher Weise wie das vorhergesagte Wetter.

Dann: Abfahrtstag 06.07.2025, Treffen um 8.00 Uhr am Giesinger Bahnhof bei schönstem Wetter in München. Aber in Sappada?..

Alle anderen Gruppenmitglieder waren in bester Stimmung. War ich der einzige Skeptiker? Haben die Bergfreunde den miserablen Wetterbericht etwa gar nicht zur Kenntnis genommen? (Vorab: Haben sie selbstverständlich schon und entsprechende Ausrüstung eingepackt!).

Anfahrt über Kitzbühel, Felbertauern, Innichen und Kreuzbergpass nach Sappada. Das Wetter war bestens, die Landschaft wurde immer beeindruckender.

Vor der Auffahrt zum Hüttenparkplatz und dem Aufstieg zur Calvi-Hütte (2167 m) gab’s noch eine kurze Stärkung mit Espresso und Crostata. In dieser Zeit formierten sich die ersten Gewitterwolken. Los ging’s dann schon beim Abmarsch vom Auto zur Hütte (knapp 400 Hm) mit ersten Blitzen und Donnergrollen. Wir waren noch nicht lange unterwegs, wurden wir schon von einem Regenguss getroffen. Da habe ich also mit meinem Pessimismus doch recht gehabt. Das geht ja gut los: Schirm raus, Regenschutz über den Rucksack.

Tatsächlich war bei der Hüttenankunft alles schon wieder vorbei, also gar nicht so schlimm. Es war sogar noch möglich, am Abend einen kleinen Rundgang zu einem Bergsattel zu unternehmen und beeindruckende Wolkenstimmungen sowie alte Kriegsstollen aus dem 1. Weltkrieg zu bewundern.

Solche Kriegsrelikte sollten wir während der ganzen Tour noch häufig sehen, gerade auch in fast unzugänglichen steilen Felswänden. Respekt vor dem Können der Soldaten, die diese Einrichtungen wohl unter unvorstellbaren Strapazen geschaffen haben. Nachdenklich wird man allerdings hinsichtlich der minimalen strategischen Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen und insbesondere hinsichtlich der riesigen Menschenopfer auf beiden Seiten.

Auf der gemütlichen Calvi-Hütte wurden wir für die nächsten Tage äußerst gastfreundlich aufgenommen und ausnehmend gut versorgt. Es war richtig zum Wohlfühlen. Wir waren die einzigen Übernachtungsgäste.

Allerdings ging schon bei der Zimmerbelegung alles schief: Wir hatten vereinbart, die beiden 4-Bett-Zimmer penibel unter Schnarchern und Nichtschnarchern aufzuteilen. Ergebnis nach der ersten Nacht: Kein einziger Mensch hat geschnarcht. Soviel zur minutiösen Planung einer Tour…

Der Wetterbericht war weiterhin für die nächsten zwei Tage äußerst fragwürdig: Er verhieß jeweils für den Abend und für die Nacht Regen oder sogar Schnee (was auch zutraf!). Das führte jeden Morgen zum gleichen Procedere: Jeder schaute auf seine jeweilige Wetter-App in seinem Handy – und siehe da: Es gab in allen Apps übereinstimmend die gleichen Trocken- und Sonnenstunden untertags (was sich tatsächlich auch als richtig erwies!). Diese Phasen galt es auszunutzen.

 

 

07.07.2025: Monte Avanza (2489 m) in einer Gesamtrunde von insgesamt ca. 915 Hm:

Beim Aufbruch am Vormittag wurden die Wolken immer lockerer, die Sonnenflecken wurden größer. Die anfangs noch feuchten, aber nicht unangenehmen Steige trockneten schnell ab. Wir wanderten vorbei an unbeschreiblicher Blumenpracht und eifrig pfeifenden Murmeltieren. In stetem Auf und Ab ging es einmal über ein steiles, aber nicht unangenehmes Schotterfeld, dann wieder kurz seilversichert, am Ende über harmlose Steinplatten zum Gipfel. Das Panorama konnte in purem Sonnenlicht genossen werden. Klar: Es war ziemlich kühl, aber wofür hat man einen Anorak dabei?

Der Abstieg erfolgte in einem Bogen oberhalb des Avanza-Passes, wiederum bei herrlich beeindruckender Flora (Frauenschuh!), und zunächst weiterhin bei Sonne und angenehmen Temperaturen. Erst beim Schlussaufstieg zurück zur Calvi-Hütte gab es noch einen kleinen Schauer. Aber was soll’s: Das konnte die gute Stimmung des Tages nicht mehr trüben. (Es war übrigens der letzte Niederschlag auf unserer Tour!).

08.07.2025: Monte Peralba (Hochweissstein, 2694m) über den Normalweg, benannt nach dem Papst Johannes Paul, der hier ebenfalls schon hinaufstieg und auch die Calvi-Hütte mit seinem Besuch beehrte. Ca. 650 Hm.

Das war jedenfalls der Plan. In der Nacht hat es jedoch geschneit, der Gipfel war angezuckert, es war entsprechend kalt. Allerdings waren die Wolken im Abzug begriffen. Der Hüttenwirt hatte uns vor schrägen Steinplatten auf dem Weg  gewarnt, die rutschig sein könnten.

Naja, probieren kann man es ja mal, ggfs. heißt die Devise Umkehr. Als wir zu den (wenigen) Platten kamen, vor denen gewarnt worden war, waren diese aber schon abgetrocknet und griffig. Also weiter. Der Weg zog sich in eine relative kurze seilversicherte Rinne, die technisch nicht schwierig war, aber noch Schnee aufwies. Es kam erneut die Diskussion auf, ob man umdrehen sollte. Ich plädierte mit dem Argument dagegen, dass ich vor mir Spuren im Schnee ausmachte (was logisch war, weil ich nicht der Erste in der Gruppe war).

Letztlich gingen wir weiter und gelangten zum Ausstieg aus der Rinne. Und siehe da: Nur noch leichtes trockenes Schrofengelände, Gipfelmadonna und Kreuz zum Greifen nah. Tour erfolgreich geschafft und sogar den herrlichen Ausblick genossen, insbesondere auf die östlichen Dolomiten, wo jeder zur Bergbestimmung seinen Senf dazugeben durfte.

In der Folge waren wir das schlechte Wetter endgültig los, und es wurde beständig wärmer und stabiler. Dies benötigten wir auch am

09.07.2025: Übergang zur Wolayersee-Hütte (1967 m), lange Gehzeit, ca. 1050 Hm.

Wir wanderten über blühende Almwiesen, vorbei an kleinen Tümpeln, einbiegend auf den Karnischen Höhenweg (Erinnerungen wurden wach) hinein ins Fleon-Tal zur Fleon-Alm. Damit es untertags nicht gar zu langweilig wird, entschieden wir uns dort mit Handy-Unterstützung für einen aufgelassenen Steig, den man eigentlich nur relativ selten sah (insbesondere nicht bei wucherndem Wiesenkraut und bei Bachübergängen), und der deswegen recht interessant war, weil man häufig nicht so recht wusste, wo man hintrat und ob dies ggfs. zu einem Sturz führte.  Der Steig führte uns so abseitig ins Gelände, dass wir tatsächlich sieben Hirsche sahen, die vor uns flüchteten.Gefährlich war der Weg aber an keiner Stelle und bald erreichten wir wohlbehalten wieder die offizielle Route.

Diese hatte neben grandiosen Landschaftseindrücken noch beträchtliche Höhenmeter zu bieten. Ein langer gemächlicher Aufstieg , vorbei an kleinen Seen, führte zum Giramondo-Pass. Etwas steiler ging es dann hinunter zum Zufahrtsweg zur Hütte und dann – mit Abkürzungen – zum Wolayer See hinauf.

Schließlich standen wir müde, hungrig und durstig vor der Wolayersee-Hütte und freuten uns auf das vorgebuchte Nachtlager. Allerdings hatte die Johanna da noch ein interessantes Schmankerl für alle eingebaut: Bei der Anmeldung suchte der Hüttenwirt mit gerunzelter Stirn in seinem Reservierungsbuch unsere Namen und gebuchten Lagerräume: Nichts! Keine Anmeldung?  Die Rädchen im Hirn begannen sich bereits zu drehen: Wie geht’s weiter? Wo kriegen wir für die Nacht ein Dach über den Kopf? Dann Entwarnung durch den Wirt: Heute Nacht geht’s problemlos, morgen wär’s nicht gegangen.  Des Rätsels Lösung: Die Buchung wurde für das Folgejahr 2026 vorgemerkt. Liebe Johanna: Lass Dir eine Tour fürs nächste Jahr einfallen, damit die Reservierung nicht storniert werden muss! Ich bin dabei!

Der Aufenthalt und die Verköstigung auf der Hütte waren bei herrlichem Blick durch die Glasfront auf See und Berge beeindruckend und angenehm.

10.07.2025: Königsetappe auf die Hohe Warte, mit 2774 m der höchste Gipfel der Karnischen Alpen, und weiter auf die Marinelli-Hütte (2120 m), über deren exzellente Küche die höchsten Lobeshymnen kursieren.

Der Aufstieg ist nie richtig schwierig, im oberen Bereich aber sehr mühsam. Zunächst geht es über einen steilen Felsriegel, durchgehend drahtseilversichert (Sentiero Spinotti), dann zum Erholen durch üppige Bergwiesen mit grandioser Flora (Edelweiß!) bis zum letzten Steilaufschwung über mehrere hundert Höhenmeter. Hier quält man sich durch loses Geröll, zunächst zu einem weiteren Felsriegel, wo man teilweise die Hände einsetzen muss und sich freut: Geröll geschafft. Aber denkste: Das Geröll kommt alsbald wieder und ist noch ekelhafter als zuvor: 2 Schritte vor, 3 Schritte zurück, physikalisch eigentlich nicht möglich, sich dort raufzuwühlen! Aber schließlich sind wir doch beim Gipfel mit der Friedensglocke angekommen.

Vergnügen war der letzte Teil des Aufstiegs keines. Aber wir waren ja nicht zum Vergnügen da, sondern zum Urlaubmachen.

Bei der schönen Aussicht war die Mühsal aber schnell vergessen, die Diskussionen über die verschiedenen Dolomitengipfel flammten wieder auf.

Im Geröll hinunter zu gehen (zu fahren?) müsste eigentlich ein Vergnügen sein. War es hier aber nicht, zu unterschiedlich die Bedingungen, zu wenig tiefer Schotter. Schließlich waren wir wieder im Almwiesenbereich und wanderten glücklich und entspannt zur Hütte. Die Lobeshymnen über das gute Essen und den vorzüglichen Wein kursieren zurecht…

 

11.07.2025: Abstieg nach Collina, letzte ca. 145 Hm Aufstieg unserer Tour.

Genussvoll und entspannt ging es über den Mte. Floriz und die Plumbs-Alm hinunter in den Ort. Alle hatten wir das Gefühl, unsere Gipfelziele (insgesamt ca. 4200 Hm) bestens erreicht zu haben (trotz des anfangs nicht immer idealen Wetters). Dass dann der Linienbus gerade heute nicht fuhr? Geschenkt! Mit Autostopp durch die beiden Fahrer war das relativ schnell zu lösen.

Nach einem herzhaften Essen in Sappada (mit Gewitterschauer – da war es wieder, das schlechte Wetter!) ging es auf der gleichen Route wieder zurück nach München. Vor der Einfahrt in den Felbertauerntunnel konnten wir ermessen, welches Wetterglück wir tatsächlich hatten: tiefhängende Wolken, Schneefallgrenze weit herunten, ebenso die Temperaturen. Hier hätten wir wohl bei Bergtouren deutliche Abstriche machen müssen.

Darum: Liebe Johanna! Vielen Dank für die gute Planung und Durchführung der Tour, zumal – wie ich meine – mit einer homogenen und fröhlichen Truppe. Mir hat es jedenfalls riesigen Spaß gemacht. Gerne mal wieder!

Wolfgang Wagner