Kratersee | © Bergfreunde München

Von Teheran zum Sabalan

Juni 2019, Farahnaz Nejadensan

30.06.2019

Der Vulkan Sabalan mit einer Höhe von 4811 m gilt als dritthöchster Berg im Iran nach Damavand und Alam-Kuh und ist der höchste Gipfel der iranischen Region Ost-Aserbaidschan. Der Sabalan ist nach dem Damavand das beliebteste Ziel für die iranischen Bergsteiger und besonders für die Azari (Azari ist eine Sprache und eine Bevölkerungsgruppe in Aserbaidschan) sowie die kurdische Bevölkerung, die in der Nähe vom Sabalan beheimatet ist.
Frau Parvaneh Kazami, eine renommierte Bergsteigerin im Iran, hatte eine drei-tägige Sabalan-Bergwandertour geplant. Sie plante die Tour für die Zeit vom So. 30.06.2019 bis Mi. 3.07.2019, um so den Andrang der vielen Bergsteiger am Wochenende zu vermeiden.

Am 30.06. trafen wir uns im West- ZOB-Terminal in Teheran. Der VIP Reisebus fuhr pünktlich um 22.00 Uhr direkt auf die Karaj Autobahn nach Qazvin Richtung Khalkhal und Meshgin Shahr ab. Nach fast 700 km stiegen wir um 5:30 Uhr in der Nähe eines kleinen Dorfes, Fakhrabad, aus. Von dort aus fuhren wir mit einem PKW zu der Thermalquelle Shabil, die sich auf 2620 m Höhe befindet.

Ein entgegenkommender PKW hat uns mit Lichthupe zum Stehenbleiben aufgefordert. Der Fahrer hielt neben unserem Fahrzeug an, kurbelte die Fensterscheibe runter und unterhielt sich mit unserem Fahrer. Er warnte uns vor den dichten Nebelbänken auf unserer Strecke. Nach einer Stunde kamen wir in Shabil an, es war nass, neblig und kalt.

Wir waren praktisch die ganze Nacht unterwegs gewesen und konnten uns deshalb nicht ausruhen. Deswegen mieteten wir uns in der großen Thermalanlage ein Zimmer, wo wir uns kurz ausruhen konnten bevor wir uns ins Thermalbad begaben. Heißes, klares, wohltuendes Wasser hat uns gutgetan.

Von Shabil aus fuhren wir dann mit einem Geländewagen zur „Hütte - Eastern Shelter“, die auf einer Höhe von ca. 3630 m liegt. Der Hüttenwirt von Eastern Shelter kannte unsere Bergführerin Parvaneh und begrüßte uns sehr herzlich.
Es gab genügend freie Zimmer auf der Hütte und wir suchten uns ein großes, helles Zimmer aus. Ich machte einen Erkundungsspaziergang bis auf etwa 3900 m. An einigen Stellen sind Warnschilder mit einem Bärensymbol angebracht und auch auf die Felsen gemalt, um auf die Bären hinzuweisen.
Zurück im Lager unterhielt ich mich mit dem Hüttenwirt und fragte ihn nach den Bären. Er erzählte mir, dass die Bären seit einigen Jahren in der Umgebung der Hütte lebten und sich in einer Höhle in der Nähe der Hütte angesiedelt hätten.
Inzwischen sind die Bären die Bergfreunde des Hüttenwarts, der sie mit Essensresten füttert. Die Bären haben sich an die Menschen gewöhnt und die Menschen freuen sich über diese „Freundschaft“. Schade ist jedoch, dass die Bären verlernt haben, zu jagen um sich selber zu ernähren. Der Hüttenwart sagte scherzhaft, dass die Bären mittlerweile zu Vegetariern geworden sind.
Unsere Bergführerin Parvaneh und ich waren die einzigen, die den Gipfelanstieg auf den Sabalan für den nächsten Tag auf dem Tagesplan hatten. Während der Abenddämmerung, als ich in unser Zimmer ging, hörte ich viele Neuankömmlinge. Als Parvaneh ins Zimmer kam, erzählte sie, dass etwa 32 Studentinnen der Teheraner Sharif Universität gerade angekommen sein.
Bevor Parvaneh sich zum Schlafen hingelegte, klemmte sie zu meinem Erstaunen unsere Stöcke gegen die Eingangstür und den Boden und erwähnte nebenbei, dass sie mit Hilfe der eingeklemmten Stöcke einen nächtlichen Besuch von Bären vermeiden wollte.
Sie fügte hinzu, ich sollte mich nicht erschrecken, wenn ich in der Nacht auf dem Wege zur Toilette Bären begegnen würde. Obwohl ich ein mutiger Mensch bin, beschloss ich in jener Nacht lieber auf die Toilette zu verzichten als in der Dunkelheit und bei der klirrenden Kälte locker und kühl bleibend noch einen Bären vor oder hinter mir zu wissen. Ich war an jenem Abend doch nicht so sehr mutig!

Um 6.00 Uhr in der Früh starteten wir mit dem Aufstieg zum Gipfel des Sabalan mit seinem Kratersee. Beim Sonnenaufgang färbte sich die ohnehin bizarre Vulkan-Landschaft rot.
Unterwegs sah ich auf dem Boden große Bärenhinterlassenschaften. Tatsächlich waren über Nacht die Bären los.
Währen des Fotografierens hörte ich den Gesang der Studentinnen vom letzten Abend, die ihre Freude in einer Entfernung von ca. 200 Metern laut zum Ausdruck brachten. Sie waren offensichtlich schon vor uns gestartet. Wir haben dann die Studentinnen überholt. Im weiteren Verlauf des Tages wurde der Abstand zwischen uns und den Studentinnen dann auch immer größer.
Ab jenem Zeitpunkt bis zum Erreichen des Gipfels trafen wir keine weiteren Bergsteiger mehr. Somit waren wir auf dem ganzen Weg zum Gipfel die einzigen Bergsteigerinnen. Bergsteiger gab es an dem besagten Tag ohnehin nicht.
In den höheren Lagen ging es hin und wieder auch über Schneefelder.
Man konnte stellenweise Markierungen als Zahlen, Beschriftungen und rote Fähnchen für die zahlreichen Pfade entdecken. Aus der Ferne zeigte sich der Mehrab- Stein, der auf den anspruchsvollen Schlussaufstieg zum Krater hinweist.
Nachdem wir die steilste Strecke zum Vorgipfel Mehrab (ca. 4700 m) geschafft hatten, sind wir noch über ein schneebedecktes Plateau gelaufen, um dann unser Ziel, den Kratersee des Sabalan zu erreichen.

Die Landschaft dort ist wunderschön, noch schöner als ich mir sie vorgestellt hatte. Bei einer angenehmen Temperatur von 9 Grad gab es Sonnenschein und kaum Wolken am Himmel. Nach ca. zwei Stunden begannen wir mit dem Abstieg. Als wir am Mehrab-Stein ankamen, sahen wir die immer noch aufsteigenden Studentinnen, jedoch diesmal erschöpft und nicht mehr singend.
Wir folgten dem bekannten bereits gegangenen Weg, der uns wieder zurück zum Eastern Shelter führte.
Wir kamen um ca. 15 Uhr wieder an der Hütte an. Insgesamt waren wir 9 Stunden unterwegs, davon ca.4 Stunden Aufstieg und ca. 2,5 Stunden Abstieg.
Bei der Ankunft am Eastern Shelter begrüßte uns der Hüttenwirt. Es wurden viele Erinnerungsfotos gemacht.
Mit dem Gepäck im Geländewagen sind wir dann wieder hinunter nach Shabil zum Thermalbad gefahren, auf das ich mich schon sehr gefreut hatte.
Unterwegs nach Shabil beschlossen wir, nach dem Thermalbad von der nahen Stadt Meshgin Shahr aus mit einem Nachtbus nach Teheran zurückzufahren. Parvaneh hatte die Tickets für 23 Uhr gebucht. In den uns nun verbliebenen zwei Stunden haben wir Meshgin Shahr (Provinz Adabil), besichtigt, eine Stadt in der von fast jedem Standpunkt die Berge Sabalan, Kasra Dagh und Heram Dagh zu sehen sind.▲ fn