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Tourenwoche Garfagnana Mai 2024

Wanderungen im weißen Marmor

30.07.2024

Ist das Toskana?  Ja und zwar eine besondere!

Die Toskana kennen viele, aber die Garfagnana?

Diese Talschaft liegt im Nordosten der Toskana, sie wird im Süden von den Apuanischen Alpen, im Norden vom Apennin begrenzt. Und so wie man sich üblicherweise die Toskana vorstellt, ist es hier auch nicht: ausgedehnte Wälder, große Seen, tiefe schluchtartige Täler, hohe felsige Berge aus weißem Marmor.

Wie schon vor 6 Jahren bewohnten wir in der Nähe des Hauptortes, Castelnuovo di Garfagnana, im Agriturismo La Palazzina drei nebeneinander liegende Ferienwohnungen, die gut ausgestattet waren. Der Padrone Stefano war um unser Wohlergehen bemüht und hatte auch den großen Pool vorbereitet, der uns nach den ersten kühleren Tagen  zur Verfügung stand und nachmittags eine angenehme  Erfrischung war.

Unser wechselndes Frühstücksteam erfüllte die Wünsche eines jeden: so gab es frisches, toskanisches Brot oder Vollkornbrot, Wurst, Käse, Müsli, Obst, selber gemachte Marmelade, starken Kaffee und guten Tee. So starteten wir jeden Morgen gut in den Tag.

Das Wetter war die ganze Woche über wechselhaft: Sonne und Wolken wechselten sich schnell ab, Schauer  zogen durch. Durch geschickte Planung befanden wir uns meist auf der Sonnenseite oder saßen bei einem Regenschauer unter einem Dach. Abends war es meist noch so warm,  dass man draußen sitzen konnte.

Am ersten Wandertag,  Montag, herrschte nach nächtlichem Regen  wunderbar klares Wetter.

Wir fuhren mit dem Auto auf den Bergrücken bei Piglionico; die Straße wurden enger und schlechter, je höher wir kamen, bis auf 1100 m. Zum Pania della Croce waren es dann knapp 800 Hm.  Zunächst durch Wald,  dann über blühende Wiesen kamen wir zum geschlossenen Rifugio Rossi, kurze Pause.  Weiter durch Geröll auf den Westkamm und zum Gipfel auf 1858 m. Leider stieg vom Meer im Süden  dichter Nebel auf, der die Sicht nur ab und zu frei gab. Für den Abstieg wählten wir einen weniger steinigen Weg auf der Westseite des Berges, der länger um den Berg herumführte und uns am ersten Tag  ziemlich forderte. Trotzdem konnten wir nach einer Restaurierung zuhause das Essen in einem guten Restaurant  in Castelnuovo genießen.

Am Dienstag stand der Monte Tambura, unser höchster Gipfel mit 1890 m, auf dem Programm. Im Val d’Arnetola wird viel Marmor abgebaut: der Lärm der Bagger und Maschinen ist recht laut, die Wege führen nah vorbei, manchmal durch den Marmor-Bruch hindurch, was auch sehr interessant ist. Die um 1750 gebaute Via Vandelli wurde zum Abtransport der Marmorblöcke über Jahrhunderte benutzt, heute führt sie nur die Wanderer hinauf zum Passo Tambura.

Der Himmel verdunkelte sich, Nebel stieg auf, die Sicht war weg. Ca. 100 m unter dem Gipfel beschlossen wir umzukehren und die Mittagspause auf dem Passo della Tambura einzulegen. Danach verzogen sich die Wolken und wir stiegen trocken ins Tal ab. Zwischen den Steinen blühten die wilden Pfingstrosen. Als wir über die enge Straße unten am Stausee von Vagli angekommen waren, goss es wieder in Strömen, aber wir saßen unter dem Dach bei Bier und Aperol.

Abends fuhren wir 10 km in die Umgebung  zu einem Gasthaus am Berg in Sillico.  Auf der Terrasse sitzend genossen wir die Aussicht mit Sonnenuntergang hinter den Apuanischen Alpen sowie eine Reihe von antipasti, primi und secondi, alles frisch hausgemacht und köstlich.

Am Mittwoch ging es auf die andere Talseite, Richtung Apennin. Im Naturpark Riserva naturale dell’orecchiella besuchten wir zunächst den alpinen botanischen Garten, dann stiegen wir steil hinauf auf die Pania di Corfino, 1603 m. Wir sahen viele wilde Pfingstrosen und Narzissen, die Regenwolken zogen an uns vorbei. Auf der Rückfahrt besichtigten wir den mittelalterlichen Ort Castello di Castiglione, der schon im Jahr 723 urkundlich erwähnt wurde und unter der Herrschaft der Republik Lucca im Jahr 1371 zur Festung ausgebaut wurde und sich diesen Charakter über Jahrhunderte bewahrt hat.

Auch im Hauptort der Garfagnana, Castelnuovo, der ab 1522 durch den Dichter Ludovico Ariosto sehr klug verwaltet wurde, finden sich einige Paläste aus dieser Zeit. Einer von ihnen, die Rocca Ariotesca, wurde eben neu restauriert und wir konnten dort eine Kunstaustellung mit historischem Bezug anschauen. Abends trafen wir uns in einem kleinen Restaurant mit typischen Toskana-Menue.

Da am Donnerstag nur kurze Sonnenstunden angesagt waren, wählten wir einen niedrigeren, aber dafür nicht weniger interessanten Berg: den Monte Forato mit 1223 m. Von Fornovalasco aus führte der Weg durch ein schattiges Tal zur Foce di Petrosciana. Dort teilte sich die Gruppe: drei nahmen den ausgesetzten Sentiero Renato Salvatori, die anderen den außenherum führenden Steig zum Monte Forato, dem durchlöcherten Berg. Dieses gewaltige Felstor, durch das man bis zum Meer sieht, begeisterte dann alle.

Am Rückweg besichtigten wir die kleine Stadt Barga, wo am Hügel der weiße Dom aus dem 11. Jahrhundert steht.  Barga war eine lange eine florentinische Enklave im Herrschaftsgebiet von Lucca und in den engen Gassen fühlt man sich wie im Mittelalter. Eine Kaffeepause im historischen Marktplatz stärkte uns wieder.

Am Abend fuhren wir zur Festung Verrucole, im 10. Jahrhundert von den Gerhardingern auf einer prähistorischen Siedlung gegründet und später immer weiter ausgebaut. Uns sprach aber noch mehr das gute Essen an, das im nahe gelegenen Gasthaus serviert wurde.

Der Rundweg Orto di Donna (Damengarten) war am Freitag dran. Vom Rifugio Donegani aus stiegen wir zum Passo Giove auf, immer wieder mit Einblicken in die Marmorbrüche daneben. Der Steig war schmal, in diesem Jahr noch wenig begangen und führte in stetigem Auf und Ab unter den Abbrüchen von Monte Grondilice zum Rifugio Orto di Donna. Die CAI-Hütten sind im Mai noch geschlossen, höchsten am Wochenende öffnet die eine oder andere. Dieser Höhenweg beeindruckt durch seine unberührte Natur und Umgebung. Zurück im Val Serenaia war zu unserer Überaschung die Donegani Hütte geöffnet und eine deutsch sprechende Hüttenwirtin hatte Kuchen gebacken.

Das Gasthaus am Abend war typisch italienisch, von vielen Familien besucht.

Am letzten Tag ging es in eine andere Richtung, gegen Süden. Der Monte Altissimo bildet die letzte Erhebung bevor die Hügel zum Meer abfallen. Auch diesmal war es ein Weg mit der Bezeichnung E (für Experten): nach einem Anstieg auf einem alten Marmor-Transportweg wechselten wir auf den Kamm und ein kleiner Steig führte steil und teilweise über Felsen auf den Gipfel auf 1589 m . Die Sicht zum Meer war durch die aufsteigende Feuchtigkeit eingeschränkt, doch die Apuanischen Alpen und der emilianische Apennin glänzten in der Sonne. Im Abstieg gab es Tiefblicke in große Marmorbrüche, durch einen aufgelassenen ging der Weg durch und es lagen immer noch riesige Blöcke da - alles ganz weißer, makelloser Marmor. Einige Marmor-Steine fanden wohl den Weg in unsere Rücksäcke.

Den letzten Abend aßen wir wieder in einem kleinen Dorf in einer typischen Pizzeria, die für ihre Vorspeisenauswahl bekannt ist.

Die Garfagnana ist für Bergsteiger eine ideale Kombination von anspruchsvollen Wanderungen, vielseitiger Kultur und ausgezeichnetem Essen, also auf jeden Fall eine Reise wert!

Autorin: JvU

Bilder : Birgit, Johanna, Franz