Tamer Gruppe | © Bergfreunde München JvU

Südliche Dolomiten, Moiazza-Tamergruppe

Juli 2022, Gertraud Kolmer- Schindler

10.07.2022

Südliche Dolomiten, Moiazza-Tamergruppe, Juli 2022, Gertraud Kolmer- Schindler

Mit zwei Autos ging‘s los über das Gadertal und den Falzarego-Pass nach Alleghe, wo wir mittags ankamen und bereits das gewaltige Civettamassiv vor uns hatten. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit entschieden wir uns für eine Teilauffahrt mit der Gondel. Nach einer Brotzeit arbeiteten wir uns mit dem noch ungewohnt schweren Rucksack bei schwüler Hitze auf einem schmalen „sentiero per esperti“ durch den Wald hinauf. Die letzten 400 Höhenmeter ging es steil durch ein zerfurchtes Gelände in kleinen Serpentinen mühsam hinauf. Oben angekommen wurden wir mit dem Blick auf den Coldai-See und die Civetta Westwand belohnt. Zügig ging es dann durch Blockgestein und Dolomitenschotter zur Tissi-Hütte, nicht ohne den ersten Dolomitenmohn zu sehen. Barbara, die herzliche Hüttenwirtin, kümmerte sich darum, dass wir so spät noch ein ordentliches italienisches Essen bekamen, sogar Franz arrangierte sich mit der ungeliebten Polenta. Am nächsten Morgen bestiegen wir noch der Hausberg: das 360 Grad Panorama war unbeschreiblich.

Abendstimmung an der Tissi Hütte

Geplant war für diesen Tag ein „Schlenkerer“ über den Mont Alt di Pelsa (2 417 m), der sich als wunderbarer Blumen- und Aussichtsberg entpuppte. Die Botaniker unter uns fotografierten, was die Flora anbot. Der Hit waren auf jeden Fall die üppigen Edelweiß. Wir gingen an der Wiesenflanke entlang, staunten wieder über den Weitblick zur Palagruppe, zur Marmolata und Sella, ebenso nach Osten in die Friauler Berge. Dank der präzisen Tourenplanung von Johanna wurden wir sicher durch das weglose Gelände geführt. Der Abstieg erfolgte auf einem Pfad und wir erreichten die Vazzoler-Hütte so früh, dass wir noch in Ruhe einen Drink vor der Hütte genießen konnten.

Dolomitenglockenblume

Wieder mit gutem Wetter und den Blicken auf die steilen, leuchtenden Wände der Civetta - dominant über uns der Torre Venezia - liefen wir uns auf einer Forststraße ein. Es war heiß, glücklicherweise führte uns der nächste Aufstieg anfangs durch einen schattigen Wald, dann entlang an Felsen, über das Blockwerk abgerutschter Felsen und über Wurzeln hinauf und hinab. Der Aufstieg auf den Mont Alt di Framont (2 150 m) bot uns eine tolle Aussicht mit schönem Gipfelkreuz. Diesen schönen Gipfel konnten wir später immer wieder sehen. Als nächstes Ziel wurde das Rifugio Carestiato angesteuert, auch um endlich ein kühles Bier zu genießen. Im Rifugio Tomè stürzten wir uns in die warmen (kostenlosen) Duschen und waren überaus erfreut, dass Johanna mit ihrem Charme für den zweiten Abend die Polenta in Kartoffeln umbestellen konnte.

Aufstieg zur Cima San Sebastiano

Am Mittwoch war ein Bilderbuchtag. Der von Johanna geplante Abstecher auf die Cima San Sebastiano (2 488 m) bei wolkenlosem Himmel erwies sich als Glücksgriff. Erfreulicherweise nur mit dem Tagesrucksack ging es steil durch den Wald, danach arbeiteten wir uns oberhalb der Baumgrenze durch den weißen Dolomitenschotter die Scharte hinauf. Der letzte Aufstieg zum Gipfel erforderte etwas Kletterei und Können. Oben angekommen hatten wir einen Blick auf alle Bergketten ringsum: vom Großglockner bis zum Ortler, von den Zillertalern bis zur Schiara. Bahrams Peakfinder half uns wieder bei unbekannteren Gipfeln. Wieder im Rifugio Tomè waren wir mit unserem „Ruhetag“ mehr als zufrieden.

Tamer Gruppe

Am nächsten Tag genossen wir den abwechslungsreichen Weg, der unter den Gipfeln der Tamer-Gruppe immer ein wenig auf und ab verlief. Bei der Mittagsrast an der Malga Moschesin konnten wir am Brunnen unsere Flaschen mit einem hervorragenden Trinkwasser füllen. Hier sammelten sich natürlich die Venedig-Wanderer: auch eine interessante Gruppe aus Taiwan und mehrere Amerikaner. Im Rifugio Pramperet angekommen, wurde eine kleine Wanderung auf die Südseite der Prampergruppe unternommen, wobei sehr interessante Gesteine zu sehen waren. Nach dem Essen war es ein großes Vergnügen, in dieser herrlichen Dolomitenkulisse auf der Veranda zu sitzen.

Forcella Zita

Wieder bei strahlendem Sonnenschein erreichten wir die Forcella de Zita mit dem Blick ins neue Tal. Wir hängten noch den leicht erreichbaren kleinen Gipfel der Cima Zita dran. Der beabsichtigte Aufstieg auf den Monte Talvena erwies sich als etwas mühsam und wurde auch aus Zeitgründen gekürzt. Über herrliche Wiesen mit ganz neuen Ausblicken stiegen wir auf einem sehr steilen und schmalen Weg für „esperti“ zum Rifugio Fontana als Zwischenziel ab. Wir erholten uns bei kühlen Getränken, erfreuten uns an der Aussicht und genossen ein Stückerl Kuchen – spendiert von Franz. Nach einem fast romantischen Auf–und Abstieg durch Wälder und auch Wiesen mit einem weichen Laub- und Erdweg erreichten wir unser letztes Rifugio Bianchet. Jetzt wurde geduscht und das letzte Mal Pastin mit Polenta gegessen.

Fast hätten wir verschlafen, aber als routinierte Hüttenwanderer war der Abstieg im Val del Vescova nach La Stanga flott und wir standen pünktlich an der Bushaltestelle. Leider stellte sich heraus, dass am Samstag unser Bus ausfiel. Das bedeutete eine extra Siesta, die jeder für sich zu nutzen wusste. In Alleghe gab‘s zum Abschluss eine hervorragende Pizza und wir kamen alle ohne Stau gut zu Hause an. So haben wir in einer Woche etwa 6000 Höhenmeter und 70 km bewältigt. Bemerkenswert war, dass abseits vom Hauptweg keine Wanderer anzutreffen waren. So konnten wir diese wundervolle Bergwelt mit den vielen Blumen doppelt genießen.

Mit unvergesslichen Bildern im Kopf danken wir Johanna für die perfekte Planung und Franz für seine ausgesprochen kompetente Unterstützung bei der Führung. ▲gks